Le journal allemand « Frankfurter Rundschau » à publié un article d’une double page dans l’édition du 17ème août 2016. Il est question de la formation de notre atelier ainsi que nos projets et les rêves pour l’avenir.
Voilà l’article original si vous parlez un peu d’allemand par hasard:
Flüchtlinge machen Mode
Von Tobias Schwab
Rabat – Solange lässt die Nähmaschine surren. Der rosefarbene Musselin, Stoff für eine sommerleichte Tunika, gleitet durch die Hände der 42-jährigen Kongolesin zur Nadel. Am Tisch nebenan sitzt bei Khadija aus dem Irak jeder Stich. Auf einem Stickkissen hat die 40 Jahre alte Irakerin den Kragen einer Robe in Arbeit, säumt ihn mit traditionellen afghanischen Mustern. Carole aus der Elfenbeinküste bügelt derweil ein Leinen-Hemd, dessen letzte Naht sie gerade gesetzt hat. Auch das Etikett ist bereits eingenäht: „Migrants du Monde“ (Migranten der Welt) ist darauf zu lesen.
Und das ist tatsächlich wörtlich zu nehmen: In der marokkanischen Hauptstadt Rabat machen Migranten aus (fast) aller Welt Mode. Frauen, die aus Subsahara-Staaten und Ländern des Nahen Ostens geflüchtet sind, schneidern gemeinsam in einem kleinen Atelier der Stiftung Orient-Occident (FOO).
Seit Jahren schon gilt Marokko für Flüchtlinge aus dem südlichen Afrika als Transitland auf dem Weg nach Europa. Doch die Zahl derjenigen, für die der Maghreb-Staat zur Endstation wird, wächst ständig. Zu gefährlich der Weg über das Mittelmeer, zu hoch und martialisch bewacht der Zaun, der marokkanischen Boden von den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla trennt.
Doch in Marokko sind die Asylsuchenden auch nicht willkommen. 80 Prozent von ihnen haben keinen Aufenthaltsstatus, damit keinen Zugang zum regulären Arbeitsmarkt und zum Bildungssystem. Aus Angst vor einer Abschiebung in die algerische Wüste, scheuen viele auch davor zurück, sich in öffentlichen Gesundheitszentren behandeln zu lassen.
„Besonders für Frauen, die sich oft mit kleinen Kindern alleine durchschlagen müssen, sind das unmenschliche Bedingungen“, sagt Rachid Badouli, Verwaltungschef der Stiftung. In deren Zentrum in Rabat – architektonisch einer Arche nachempfunden – finden die in Marokko Gestrandeten Zuflucht. Hier erhalten sie Rechtsberatung, Unterstützung bei der Beantragung von Asyl, psychologische Hilfe, Sprachunterricht, Begleitung bei Arztbesuchen – und sie können verschiedene Ausbildungen absolvieren.
Aus einem Schneiderlehrgang heraus entstand dabei vor vier Jahren die Idee, ein eigenes Label zu gründen, erzählt Nathalie Freige, Chefin der Modewerkstatt. Eine Marke, mit der sich die Frauen identifizieren konnten – „Migrants du Monde“ – war geboren. Unterstützung erhielt die Stiftung von der Pariser Designerin Isabelle Camard, die für das neue Label eine Kollektion kreierte. Stilistisch orientieren sich Ponchos, Tuniken, Schals, Roben, Kaftane, Hemden und Sommerkleider dabei an den Traditionen und Ornamentik aus den Heimatländern der Geflüchteten. Vierzehn Frauen arbeiten zurzeit fest in der Werkstatt des Labels. Mit den Flüchtlingen sitzen auch Einheimische an Nähmaschinen und Stickkissen. „Unser Ziel ist es, Brücken zu bauen und die Frauen in die marokkanische Gesellschaft zu integrieren“, sagt Freige. Ganz bewusst richten sich die Angebote der Stiftung deshalb auch an benachteiligte Marokkanerinnen.
Für Solange, die im Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo, ihre Familie verloren hat, ist dieses Miteinander ein Segen. Drei Jahre lang war sie auf der Flucht, hat sich zu Fuß, mit dem Kanu und per Bus durch Kamerun, Benin, Burkina Faso, Mali, Senegal und Mauretanien geschlagen, bevor sie nach Marokko gelangte. „Hier habe ich endlich eine Chance, die Arbeit gibt mir meine Würde zurück“, sagt Solange, und misst mit dem Maßband Stoff für ein neue Robe aus.
Gründung
Die Fondation Orient-Occident (FOO) wurde 1994 in Marokko von Yasmina Filali, Tochter des früheren marokkanischen Premierministers Abdellatif Filali, gegründet. Ziel der FOO ist es, Flüchtlingen und benachteiligten Marokkanern durch Qualifizierungskurse eine berufliche Perspektive zu eröffnen.
Auch Khadija, der Stickerin aus dem Irak, hat die Modewerkstatt eine neue Chance eröffnet. Ihr Heimatland verließ sie, als ihre beiden Kinder in den Nachkriegswirren zu Tode kamen. „Die Arbeit gibt mir psychischen Halt und verschafft mir ein Einkommen“, sagt die 42-Jährige.
Auf den Stangen im Atelier reiht Thekla Schwab, die ein entwicklungspolitisches Freiwilligenjahr in der Stiftung leistet, die fertiggestellten Kleidungstücke auf. Jedes Hemd, jede Tunika, jeder Kaftan bekommt von ihr ein handgeschriebenes Schildchen, auf dem sie die Namen von Näherin und Stickerin notiert hat. Es ist schließlich keine Konfektionsware, die bei „Migrants du Monde“ fabriziert wird. Mit den aufwendigen Stickereien sind die Frauen oft Tage beschäftigt. „Ihre Identifikation mit der Arbeit ist entsprechend hoch“, sagt die 20-Jährige aus dem hessischen Hainburg. „Sie stehen mit ihrem Namen für die Qualität der Arbeit.“
Und die hat ihren Preis. Ein besticktes Kleid kann umgerechnet schon 120 Euro kosten, ein Poncho auf 160 Euro kommen. „Migrants du Monde“ produziert nicht für den marokkanischen Massenmarkt, sondern in kleinen Mengen für eine kaufkräftigere Klientel. Regelmäßig kann das Atelier seine Kollektionen, beispielsweise bei Modenschauen in der Botschaft der Europäischen Kommission in Rabat, vor einem internationalen Publikum präsentieren. Flüchtlingsfrauen schlüpfen dann auch selbst in die Rolle der Models.Verkauft werden die hochwertigen Textilien auch in ausgewählten Boutiquen und Hotels von Rabat und Marrakesch. „Migrants du Monde“-Managerin Nathalie Freige, die früher im Filmbusiness tätig war, nutzt zudem ihr weites privates Netzwerk, um die Mode zu vermarkten. Immer mal wieder reist sie mit vollgepackten Koffern für Verkaufsschauen nach Paris, Rom und Madrid. Selbst in New York konnte sie mit den Textilien schon landen. Und neuerdings kann die Bekleidung auch auf der Webseite von „Migrants du Monde“ bestellt werden.
Dennoch reicht das nicht, um das Projekt wirtschaftlich auf eigene Beine zu stellen. Noch wirft das Label keine Gewinne ab. „Dafür sind wir nicht groß genug“, sagt Nathalie Freige. „Und die Produktion ist arbeitsintensiv.“ Außerdem schaffen immer mal wieder Frauen den Sprung aus dem Stiftungsprojekt heraus in die Selbständigkeit als Näherin oder wagen doch den Weg nach Europa. Und neue Migrantinnen müssen behutsam integriert und an die Qualitätsanforderungen des Ateliers herangeführt werden.
Dank der Förderung durch die Europäische Union, die Entwicklungsagentur der Spanischen Regierung und des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) kann „Migrants du Monde“ weiter ambitioniert Mode machen. Von deutscher Seite erfährt die Stiftung Unterstützung durch Eirene. Der Internationale Christliche Friedensdienst entsendet jährlich zwei Freiwillige im Rahmen des Weltwärts-Programms der Bundesregierung nach Rabat und akquiriert Spenden für das Projekt.
Auch aus anderen Ländern kommen regelmäßig junge Leute, um bei „Migrants du Monde“ anzupacken. Eine Bloggerin aus Frankreich war gerade für mehrere Wochen in Rabat, um die Homepage des Labels neu zu gestalten. Eine Italienerin mit Bachelor in Wirtschaft erarbeitete jüngst während ihres Praktikums einen erweiterten Businessplan für „Migrants du Monde“.
Denn in mutigen Momenten ist Nathalie Freige immer mal wieder von einer Idee getrieben. „Wir könnten eine Genossenschaft gründen und selbstständig werden“, sagt sie – und gibt gleich selbst zu bedenken: „Das wäre dann ein ganz anderes Projekt mit viel höheren Anforderungen und unternehmerischer Verantwortung für alle beteiligten Frauen.“
Es wäre vermutlich vor allem ein langer, steiniger Weg, die Marke mit verlässlichen Vertriebsstrukturen gewinnbringend zu etablieren. Aber Solange, Khadija und all die anderen Näherinnen haben in ihrem Leben wahrlich schon ganz andere Wege zurückgelegt.
(Source – http://www.fr-online.de/wirtschaft/marokko-fluechtlinge-machen-mode,1472780,34639016.html)